![Krebsi fragt Krebsi](https://i0.wp.com/www.td42.de/sonnenbluemchensdreams/wp-content/uploads/2021/01/97ADB94D-ED6C-4138-B2C7-EE7B84E4324F-1024x1024.jpeg?resize=840%2C840&ssl=1)
Neues Jahr und neue Interviewpartner für mein Herzensprojekt. Da mir das Projekt echt am Herzen liegt, ich mehr Empathie und Einfühlungsvermögen im Umgang mit uns Krebsis erreichen möchte, ist es für mich so wichtig, immer wieder mal andere Betroffene interviewen zu dürfen. So konnte ich nun auch die liebe Anette Holl, die ich über die Community der MutLöwinnen* bei Skool* kennengelernt habe, interviewen.
Schwarzwälder Mädel mit Liebe zur Nordseeluft und Ostseefeeling
Lasst uns also zusammen schauen, was mir die liebe Annette so geantwortet hat.
Wer bist du?
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Ich bin Annette, 47 Jahre alt und wohne mit meinem Mann und unseren drei wundervollen Kindern da, wo andere Urlaub machen, nämlich im schönen Südschwarzwald.
*lach ne, ich lebe, da wo andere Urlaub machen (meine Leser wissen bestimmt das ich in Mecklenburg Vorpommern wohne), aber stimmt, in den Schwarzwald wollen wir auch noch mal fahren.
Ich liebe meinen Job als Grundschullehrerin an einer kleinen Dorfschule mit einem offenen Lernkonzept und den tollsten Kolleg*innen der Welt.
Uhi, da bist du aber einer der seltensten Exemplare von Lehrer, die ihren Beruf echt liebt. Häufig höre ich da doch was anderes.
Nebenher oder drumherum schreibe ich Ratgeber für Lehrkräfte. Außerdem bin ich als Krebsbloggerin bei den Kurvenkratzern* und auf Instagram aktiv und wusele zusätzlich noch für Jung und Krebs e.V.* in der Real-Life-Selbsthilfe umher.
Wow, da frag ich mich, wo deine Zeit für dich bleibt, obwohl auch ich echt hier und da vertreten bin.
In meiner Freizeit findet man mich auf dem Crosstrainer im Fitnessstudio, joggend und mit dem Mountainbike im Wald oder auf den Feldern.
Oh je, ich sollte echt auch mehr Sport machen, du machst mich gerade echt verlegen, so viel Sport wie du machst.
Ich bin ein großer Fan des Nordens und liebe Nordseeluft und Ostseefeeling.
Wenn du die Ostsee so gerne magst, ich wohne nur einen Steinschlag von ihr entfernt *augenzwinker.
Bei dreieckiger-dreifarbiger Milkaschokolade werde ich schwach und ohne Kaffee ist ein Tag für mich verloren.
Schokoholiker und Kaffeejunkie also, perfekt. Bevor wir zwei aber zu sehr im Schoko-Kaffee-Himmel sind, lass uns die nächsten Frage angehen.
Annettes Herausforderung – ihr Blog
Wie heißt dein Blog/Homepage/Social Media-Seite?
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Mein Blog heißt „Annettes Herausforderung*“ und er hat seine Heimat beim Verein InfluCancer* gefunden. Deren Mitglieder verfolgen das Motto „Egal wie du über Krebs sprichst, Hauptsache du tust es“. Ein genialer Ansatz wie ich finde.
Stimmt, der Satz hat echt was 👍🏽.
Mein Instagramaccount heißt schlicht und einfach @hollannette*. Den pflege ich aus Spaß an der Freud und erfreue mit meinem gemischten Content zwischen Krebs, Alltag, Schule und Bücher mittlerweile eine recht große Followerschar.
Diagnosen Crash während der Pandemie
Welchen Krebs hast du und wann bekamst du deine Diagnose?
Im November 2020 crashte die Diagnose „Brustkrebs“ voll rein ins Annette´sche Universum als berufstätige Dreifachmama, die Bücher schrieb. Meine Familie und ich hatten gerade den ersten Lockdown und den ersten Sommer mit Corona in unserem neugebauten Holzhaus hinter uns gebracht. Bei einer stinknormalen Vorsorgeuntersuchung entdeckte mein Gynäkologe eine vermeintliche Zyste. Um sicherzugehen, dass nicht mehr dahintersteckte schickte er mich zur Abklärung ist Brustzentrum. Leider steckte definitiv mehr hinter der Zyste, die ein miniminikleiner Tumor war. Der hatte es aber in sich und war ein hochaggressiver hormoneller, HER2-positiver Brustkrebs.
Oh nein und dann auch noch zu Corona-HochZeit urgs.
Wie meine Herzensärztin in der Klinik meinte: „Der Sechser in der Brustkrebslotterie.“, da ich viele Möglichkeiten hätte, um gegen ihn vorzugehen.
Na den Sechser braucht man aber echt nicht, gruselig.
Operation, Chemotherapie, Bestrahlung, Antikörpertherapie und im Nachgang dann noch die Antihormontherapie, die ich nun seit August 2021 auch mache (Tamoxifen und Trenantone). Aus medizinischer Sicht also wahrlich ein Lottogewinn.
Etwas, dass uns alle irgendwie vereint, leider.
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Was waren deine ersten Gedanken nach der Diagnosestellung?
Als meine Herzensärztin mir sagte, dass sie da tatsächlich „einen kleinen Brustkrebs“ entdeckt hätte, kamen spontan zwei Sätze aus mir heraus:
„Krebs? Das geht doch nicht. Ich hab´ doch Kinder und einen Mann.“
„Krebs? Das darf nicht sein. Meine Eltern haben doch schon ein Kind verloren.“ (Mein Bruder war 2008 tödlich verunglückt.)
Oh Gott, mein herzliches Beileid.
Ich sah mich also schon tot. Meinen Mann als Witwer, meine Kinder als Waisen und meine Eltern mit einem weiteren Verlust dastehen. Immer wieder tauchte der Begriff „Beerdigung“ in meinem Gedanken auf.
Mir ging es ähnlich, ich habe nur Krebs gehört und dachte, was nun?
In den nächsten Tagen kristallisierten sich ein Gedanke heraus:
„Krebs? Meine Kinder werden mich hässlich finden.“
Ich hatte Angst vor der Glatze. Ich hatte Angst vor dem, was kommen würde. Ich hatte Angst. Punkt.
Nach den ersten Untersuchungen, die mich definitiv und auf Papier zur Krebspatientin machten, poppte ein völlig unsinniger Gedanke auf:„Krebs? Das passt doch nicht zu mir.“
Sowas passt zu niemandem!
Ich hatte doch immer alles „richtig“ gemacht.
Nie geraucht.
Nie übermäßig Alkohol getrunken.
Hatte immer auf meiner Ernährung geachtet.
Schon immer Sport gemacht.
Drei Kinder gestillt.
Und und und…
Dennoch Krebs bekommen.
Also passte – oder besser – gehörte er wohl nun doch zu mir…
Bloggen als Therapie
Warum hast du dich entschlossen, einen Blog zu starten bzw offen darüber zu reden? Und was möchtest du damit erreichen?
Hm… Nach den ersten Chemotherapien war ich psychisch an einem Tiefpunkt angelangt. Die körperlichen Strapazen nervten. Eine gute Bekannte hatte gemeinte: „Annette, du schreibst doch so gerne. Warum schreibst du jetzt nicht einfach mal über dich und deine Situation?“ Ich entgegnete ganz entsetzt: „Über den Krebs schreiben? Niemals!“….. Aber… Irgendwie ließ mich das doch nicht los und ein paar Tage später richtete ich in einer Hauruckaktion meinen Blog ein. Ich war bei kurzer Recherche auf die Kurvenkratzer gestoßen, fühlte mich von deren humorig-ironischem, offen-klarem Umgang mit dem Krebsthema spontan angesprochen. Die Möglichkeit, mir kostenlos und ohne weitere Verpflichtungen auf der Influcancerseite einen Blog einzurichten, sprach mich an.
Ich dachte: „Ich schreibe mir jetzt meinen Frust von der Seele und lasse ein paar Texte für meine Familie hier. Und wenn der Mist dann vorüber ist, kann ich den Blog Blog sein lassen und wieder im normalen Leben verschwinden.“ Deshalb gab ich mir auch das Pseudonym „Eulenspiegel“.
Was für ein süßer Name.
Dass mein Blog nach aktuell 100 Texten noch immer besteht und ich im Leben nach Krebs weiterhin viel zu sagen haben werde, konnte ich damals Anfang 2021 ja nicht erahnen… Unfassbarer Wahnsinn eigentlich! Aber unfassbar schöner Wahnsinn! Den Knopf „Offline stellen“ werde ich wohl ungedrückt lassen.
Na Gott sei dank, es wäre ein echter Verlust.
Du siehst: Der Start meines Blogs war also gar kein richtiger Entschluss. Er war mehr eine spontane Hauruckaktion aus einem Bauchgefühl heraus. Schreiben wurde für mich zur Therapie. Es half mir, meine Ängste zu benennen. Meine Emotionen rauszulassen. Sorgen irgendwo abzuladen. Dinge loszulassen.
So eine weitere Therapiemöglichkeit hilft aber auch ungemein.
Was soll ich sagen? Ich schrieb also eigentlich zunächst sehr egoistisch nur für mich. Und auch ein bisschen für meine Angehörigen und Freund*innen. Denn da meine Erkrankung mitten in der Pandemie stattfand, bekam ich weder meine Eltern noch Geschwister noch Schwiegereltern oder andere Leute als meine engsten Buddies hier, den Taxifahrer, die Ärzt*innen und Supermarktverkäufer*innen zu Gesicht.
Das stell ich mir sehr schwer vor, ist man doch bereits durch die Diagnose irgendwie auf sich allein gestellt und dann zusätzlich noch die Pandemie?!?
Und dann trudelten plötzlich Nachrichten von Menschen ein, die meine Texte lasen. Die sich und ihre Situation darin wiederfanden. Die durch meine Texte Mut bekamen, ihren eigenen Weg weiterzugehen. Die durch meine Texte Kraft bekamen, weil sie sich nicht so alleine fühlten.
Dann hast du damit doch alles richtig gemacht.
Mittlerweile hat mein Blog für mich persönlich noch eine ganz andere Dimension entwickelt: Egal, was auch kommen mag und egal wie lange ich hier auf Erden sein werde, so werde ich durch meine Texte für meinen Mann und unsere Kinder unsterblich sein. Vielleicht müssen Sie beim Lesen manchmal weinen, ich hoffe, des öfteren aber auch lachen und im besten Fall werden sie sich einfach mit Freude an mich und unsere gemeinsamen Erlebnisse zurückerinnern. Auf jeden Fall werden sie an mich denken und mir nahe sein. Uff. Das ist einerseits echt heftig und geht tief. Andererseits ist es aber sehr befreiend. Mein Blog quasi als mein Vermächtnis. Ein wunderschöner Gedanke für mich.
Ein schöner Gedanke.
Warum blogge ich? Warum rede ich offen über Krebs? —
Tja, ich habe erkannt, dass mein Gedanke vom „Krebs, der nicht zu mir passt“ in der Gesellschaft verankert ist. Denn obwohl doch eigentlich jede/r jemanden kennt, die/der Krebs hatte, ist Krebs ein Tabuthema.
Ich wünsche mir, dass meine Geschichte andere dazu ermutigt, ihre Früherkennungsuntersuchungen wahrzunehmen. Denn mein Tumor war nicht tastbar. Wäre ich nicht beim Arzt gewesen, dann gäbe es dieses Interview mit mir nicht. Dann gäbe es mich nicht.
Und das wäre ein echter Verlust liebe Annette.
Ich wünsche mir, dass andere Betroffene sich verstanden fühlen, wenn sie von mir und meinen Erlebnissen und Empfindungen mit und nach Krebs lesen.
Ich wünsche mir, dass ich anderen durch meine Texte ein Lächeln ins Gesicht zaubere, vielleicht auch eine Träne entlocke und so etwas Leichtigkeit in ihren Krebsalltag bringe.
Das bewirkst du auf jeden Fall.
Ganz ehrlich: Das Bloggen ist für mich echtes Win-Win. Es hilft mir. Es hilft anderen. Und mittlerweile helfe ich durch meine Interviewreihe in die Sichtbarkeit zu kommen und ihre Krebsgeschichte zu erzählen. So wie auch deine Geschichte, liebe Michaela, bald ihren Platz auf meinem Blog finden wird. Ich danke dir schon jetzt für deine Bereitschaft, bei „Annette fragt“ mitzumachen.
Worauf ich mich schon sehr freuen.
Kurz und knapp: Was Krebs anbelangt, teile ich voll und ganz das Kurvenkratzer-Motto und bin „lieber zu laut als zu psst!“
Nur weil Krebs haben/hatten, müssen wir doch nicht schweigen, deshalb bin ich gespannt, was du auf die nächste Frage antwortest.
Annettes Gedanken für Neuerkrankte
Was möchtest du Neuerkrankten gerne mit auf ihren Weg geben?
Ihr seid nicht schuld an eurer Diagnose!
Niemand hat schuld an dieser Erkrankung, wenn wer was anderes sagt, dann hat er es nicht begriffen. Lasst euch das ja nicht einreden.
Haltet euch bitte nicht mit der Frage nach dem „Warum“ auf. Und fangt auf keinen Fall mit dem Gedanken „Warum ich?“ an. Ihr habt nichts falsch gemacht! Krebs kennt kein Alter. Kennt keinen Familienstand. Kennt keinen Kontostand. Krebs trifft jeden zweiten Menschen in Deutschland. Warum also nicht dich und mich?
Verschwendet eure Zeit nicht mit diesen Gedanken, die sowieso nichts an eurer aktuellen Situation ändern werden. Setzt all eure Kraft lieber für eure Heilung ein. Vertraut dabei euren Ärzt*innen und den medizinischen Möglichkeiten!
Richtig so!
Lasst Wut und Emotionen zu, aber lasst die Tränen nicht das Kommando übernehmen. Glaubt daran, dass ihr da durchkommen werdet, vielleicht mit Blessuren, aber es ist möglich! Das seht ihr an mir, die ich vier Jahre später noch immer hier auf der Erde herumwirble.
Wir sind stärker, als wir uns es je vorgestellt haben.
Akzeptiert, dass ihr Hilfe brauchen werdet!
Ein sehr guter Rat, auch wenn es schwer fällt.
Lasst euch im Alltag von Familie oder Freund*innen unterstützen, nehmt psychotherapeutische Begleitung in Anspruch und öffnet nicht zuletzt euren Blick für die Selbsthilfe – online wie offline. Ihr seid schwerkrank und habt alles Recht der Welt, um Hilfe zu bitten, Hilfe zu erhalten und diese auch anzunehmen!
Wenn nichts sicher ist, dann ist alles möglich – also auch ein gutes Leben mit oder nach Krebs. Gebt die Hoffnung niemals auf, bitte! Das Leben lohnt sich. Immer. Punkt.
Dem kann ich nichts hinzuzufügen, sondern es einfach nur unterstreichen.
Dankeschön für dieses Interview
Was für ein Interview, liebe Annette, vielen Dank für deine Offenheit und deine Ehrlichkeit. Ich bin sehr froh, dass du meinen Weg gerade kreuzt und bin sehr gespannt, was wir noch so gemeinsam erleben werden. Auf jeden Fall werden wir beide der Menschheit noch eine sehr, sehr lange Zeit erhalten bleiben.
Mehr zu meinem Herzensprojekt
Euch hat das Interview mit Annette sehr inspiriert und ihr würdet gerne ebenfalls, da ihr eine Krebsdiagnose erhalten habt, darüber reden? Ihr habt Interesse euch von mir interviewen zu lassen? Dann meldet euch gerne per Mail (steht im Impressum) bei mir.
Die bisherigen Interviews findet ihr hier verlinkt.