Und damit ist nun die Mainbook-Blogtour auch bei mir angekommen und die nächsten Tage werdet ihr hier damit einige Autorenstorys bei mir finden und dabei wünsche ich viel Spaß beim Lesen.
In dieser Woche dreht sich alles um die Autoren, die euch hier Einblick in ihre „Schreiberei“ geben. Heute geht es gleich los mit Rotraut Mielke.
Über das Schreiben von Rotraut Mielke
„Wie sind Sie denn auf die Idee zu dem Buch gekommen?“ Das ist eine gern gestellte Frage bei Lesungen, manchmal auch die einzige, die den Leuten einfällt, nachdem ich sie mit meinem Roman – und mit meiner Präsenz – konfrontiert habe. Eine gute Frage, auf die ich glücklicherweise immer eine Antwort parat habe. Ich persönlich finde es viel interessanter zu erfahren, wie jemand überhaupt zur Schreiberei kommt. Die meisten Menschen stehen ja Texten, die länger als fünf Zeilen sind, heutzutage eher misstrauisch gegenüber. Und diese Frage ist weit weniger einfach zu beantworten.
Ich habe „schon immer“ die Erlebnisse meiner Urlaubsreisen schriftlich festgehalten. Mein allererster Kanadaurlaub zum Beispiel, den ich mit meinem damaligen Freund in einem umgebauten Minibus überlebt habe. Oder die unvergessliche Wien-Reise anlässlich des 80. Geburtstages meiner Oma. Es war ihr allererster (!) Flug. Sie hat völlig ungerührt die BILD-Zeitung gelesen (voll cool!) und dann auch noch das Lufthansa-Besteck geklaut. Als Erinnerung. Solche einzigartigen Geschichten gehören einfach aufgeschrieben. Aber da war noch mehr. Schon als Kind war ich äußerst fantasiebegabt und habe drei Bällen unterschiedlicher Größe, mit denen ich immer unterwegs war, Namen gegeben. Es waren die „Kurt-Heinz-Willis“, was jeden verblüffte, denn in meiner Umgebung gab es niemand mit diesen Namen. Im Aufsatzschreiben war ich gut. Und gelesen habe ich alles, was mir in die Finger kam. Die ‚Pucki‘-Bücher waren in meiner Kindheit schwer in, heute kennt sie kein Mensch mehr. So ist das halt mit Büchern, die meisten verlieren sich im Bücherhimmel. Besonders die versteckte hintere Reihe im elterlichen Bücherschrank interessierte mich rasend. Van de Velde, ‚Die vollkommene Ehe‘ und so ein Zeug, nichts war vor meinen neugierigen Augen sicher.
Später kamen dann die ersten Kurzgeschichten. Manchmal ging meine Fantasie overboard und brauchte einfach ein Ventil. Und, klar, in den Siebzigern habe ich mich logischerweise auch an Songs versucht. „Keiner hat dich gefragt: Willst du leben oder nicht? Hineingestoßen wardst du ins kalte Licht.“ Abartig.
Der Kurzgeschichten-Wettbewerb einer Frauenzeitschrift war der Knaller. Ich hab den ersten Preis gewonnen, ein Wochenende in der Lüneburger Heide. Im November. Habe ich erwähnt, dass ich in Hessen wohne? Meine Lust auf schlammverspritzte Spaziergänge im Dauerregen hielt sich in Grenzen, und so ließ ich den Preis verfallen.
Großer Zeitsprung. Besuch bei Marie in Frankreich. Marie und mein Mann haben schon als Babys zusammen auf dem Bärenfell gelegen. Sie schreibt Drehbücher. Hat das richtig gelernt, den Master in Screenwriting in London gemacht. Die hat mir ein Buch in die Hand gedrückt. ‚Wie man einen verdammt guten Roman schreibt.‘ Ich habe die ganze Nacht durchgelesen. Und den nächsten Tag auch, bis ich durch war. Tja, das war so etwas wie die Initialzündung, ich war nicht nur angefixt, sondern hing schon hoffnungslos an der Nadel, oder genauer: am PC.
Damals arbeitete ich in der Touristikbranche. Und entdeckte eine Marktlücke: Urlaub im Wohnmobil, speziell in West-Kanada. Darüber gab es keine brauchbare Literatur, also über das Planen, die Organisation, den ersten Großeinkauf, wie man ein Grillfeuer macht (in der Wildnis, nicht am heimischen Kugelgrill). Ich setzte mich also hin, um diese Lücke zu schließen. Nach fünf Seiten war ich durch, taperte ins Wohnzimmer, wo mein Mann gemächlich vor dem Fernseher lagerte, und berichtete von meinem Fehlschlag. Nur, um dann wieder zurückzugehen und weitere hundert Seiten runterzuhacken. So ist das mit dem Schreiben, es ist ein Marathon und keine Kurzstrecke.
Heute bin ich richtig gut organisiert. Die Themen, über die ich schreibe, liegen buchstäblich auf der Straße oder hängen als Plakate herum (Die ‚Ü-Partys‘ waren der Anstoß für die ‚Rentner-Disco‘). Der Plot ist auch kein Problem, der kommt von irgendwoher und materialisiert sich direkt in meinem Kopf. Aber dann geht der Ärger erst los! Struktur, so hat mir Marie, die inzwischen mein unschätzbar guter und strenger Coach geworden ist, eingehämmert, ist das allerwichtigste. Eine Geschichte, die gut erzählt werden soll, folgt stets einer gewissen Ordnung. Dass Erzählen hat Regeln. Ob man das nun ‚Heldenreise‘ nennt oder das Geschehen in drei, vier oder fünf Akte aufteilt, ist Geschmackssache. Wenn Plot und Struktur stehen, geht es nur noch darum, das Ding aufzuschreiben. Ha! Von wegen ‚nur noch‘! Das ist das Schlimmste überhaupt, zumindest für mich. Es ist qualvoll, langatmig und unbefriedigend, weil man die Hundert-Prozent-Marke nie erreicht. Jedenfalls geht mir das so. Jedes Mal, wenn ich meinen Text durchlese, fallen mir neue, mögliche Änderungen ein. Irgendwann muss ich mir dann das Manuskript regelrecht selbst aus der Hand reißen und es für ‚fertig‘ erklären.
Manchmal ist das Schreiben aber auch zäh. Dann sitze ich auf dem ‚Rentnerbänkchen‘ vor unserem Haus, bewaffnet mit Zettel und Stift und hoffe auf Eingebungen. Die kommen, oder sie kommen nicht. Wenn sie nicht kommen, habe ich frei. Um den Kopf zu lüften, gehe ich dann gerne eine Runde Golf spielen. Manchmal überfällt es mich bereits auf der zweiten Bahn. Eine gute Formulierung, ein Gag (siehe oben). Seit ich schreibe, habe ich IMMER ein Stück Papier dabei (Klopapier ist übrigens ungeeignet für Notizen). So ist das eben mit dem Ringen nach den richtigen Worten. Wenn sie sollen, kommen sie oft genug nicht. Dafür kommen sie zu anderen Zeiten geradezu überfallartig.
Sollten Sie mal durch die Wetterau fahren und eine rauchende Frau vor ihrer Haustür stehen sehen, die vor sich hin murmelt und einen geistesabwesenden Eindruck macht – möglicherweise bin ich das.
Viel Spaß mit meinen Büchern und: Leben Sie los!